
Erftstadt - Eine spannende Geschichte
Die Region um Erftstadt blickt auf eine lange Siedlungsgeschichte zurück. Bereits in der Jungsteinzeit war das Gebiet am Fluss Erft bewohnt, was zahlreiche archäologische Funde belegen. Später hinterließen auch die Römer deutliche Spuren in der Region, insbesondere durch Handelswege und landwirtschaftliche Strukturen. Die eigentlichen Wurzeln des heutigen Erftstadt jedoch liegen im Mittelalter. Statt einer einzelnen historischen Stadt bestand die Region früher aus zahlreichen eigenständigen Dörfern und kleinen Gemeinden, von denen einige erstmals bereits im 7. und 8. Jahrhundert urkundlich erwähnt wurden. Dazu gehören unter anderem Lechenich, Bliesheim und Liblar – Orte, die heute als Stadtteile Erftstadts bekannt sind.
Besonders Lechenich und Liblar spielten in der Geschichte eine zentrale Rolle. Lechenich war jahrhundertelang Verwaltungssitz des kurkölnischen Amtes Lechenich. Als Sitz eines kurfürstlichen Schlosses entwickelte sich Lechenich zu einem regionalen Verwaltungszentrum, das insbesondere im Spätmittelalter große Bedeutung hatte. Liblar hingegen war eher agrarisch geprägt, profitierte jedoch ab dem 19. Jahrhundert zunehmend von industriellen Entwicklungen.
Vom Feudalwesen zur französischen Herrschaft
Wie viele Regionen im Rheinland war auch das Gebiet des heutigen Erftstadt über Jahrhunderte Teil des Kurfürstentums Köln. Der Einfluss der Kirche war stark, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Die kurfürstlichen Amtssitze in Lechenich und Bliesheim unterstrichen die strategische Bedeutung der Region. Das Leben in den Dörfern war vom Feudalwesen geprägt. Bauern bearbeiteten das Land im Auftrag der Grundherren, viele Menschen lebten in eher einfachen Verhältnissen.
Diese Strukturen änderten sich mit der Besetzung des Rheinlandes durch französische Truppen Ende des 18. Jahrhunderts. Im Zuge der Französischen Revolution und der späteren Einverleibung der linksrheinischen Gebiete in das französische Kaiserreich wurden die feudalen Verhältnisse aufgehoben. Grundherrschaften verloren ihre Macht, und die Region wurde in sogenannte "Mairien" unterteilt – eine frühe Form moderner Kommunalverwaltungen. Die napoleonische Zeit prägte somit die Verwaltungsstruktur der Region nachhaltig und legte die Grundlagen für spätere Entwicklungen.
Preußische Verwaltung und Industrialisierung
Nach dem Wiener Kongress 1815 kam das Rheinland, und damit auch das Gebiet um Erftstadt, an das Königreich Preußen. Dies führte zu einer weiteren Umstrukturierung der Verwaltung und der Infrastruktur. Es entstanden neue Straßenverbindungen und Verwaltungsstrukturen, die an das preußische Modell angepasst waren. Gleichzeitig wuchs die Bedeutung der Region durch den zunehmenden industriellen Fortschritt.
Insbesondere die Braunkohle spielte dabei eine große Rolle. Im 19. Jahrhundert wurde die Region um Liblar zu einem Zentrum des Braunkohleabbaus. Die Gruben in Liblar und der Umgebung sorgten für Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum. Dazu kam die Entwicklung von Bahnverbindungen, die für den Abtransport der Kohle notwendig waren. Liblar entwickelte sich zu einem Industriestandort, während andere Ortsteile wie Lechenich ihre historischen und landwirtschaftlichen Strukturen weitgehend behielten.
Zerstörung und Wiederaufbau im 20. Jahrhundert
Auch die Region Erftstadt blieb von den Auswirkungen der beiden Weltkriege nicht verschont. Im Ersten Weltkrieg war das Gebiet vor allem durch wirtschaftliche Engpässe betroffen, während der Zweite Weltkrieg schwere Zerstörungen mit sich brachte. Besonders Luftangriffe hinterließen Schäden an historischer Bausubstanz, und viele Menschen verloren ihr Zuhause. Der Wiederaufbau nach 1945 war ein entscheidender Abschnitt in der Geschichte der heutigen Stadt. Wohnraum musste geschaffen, Infrastruktur wiederhergestellt und die Industrie neu aufgebaut werden.
In den 1950er- und 1960er-Jahren erlebte die Region ein wirtschaftliches Wachstum. Der Braunkohleabbau wurde weiter intensiviert, neue Wohngebiete entstanden, und viele Menschen aus anderen Teilen Deutschlands siedelten sich hier an. Die Nähe zu Köln und Bonn trug ebenfalls zur Attraktivität der Region bei. Immer mehr Menschen zogen in die Umgebung, was zur Verdichtung der Siedlungsstrukturen führte.
Gründung der Stadt Erftstadt im Jahr 1969
Ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte war die kommunale Neugliederung im Jahr 1969. Im Zuge dieser Reform wurden mehrere selbstständige Gemeinden und Orte zu einer neuen Stadt zusammengeschlossen – Erftstadt war geboren. Der Name wurde bewusst gewählt, da er eine neutrale Bezeichnung ohne historische Bevorzugung eines der bisherigen Ortsteile darstellt und gleichzeitig die geografische Lage am Fluss Erft betont. Mit dieser Neugliederung wurde eine moderne Stadtstruktur geschaffen, die Verwaltung, Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen effizienter gestalten sollte.
Die neue Stadt Erftstadt bestand aus 14 Stadtteilen, darunter Liblar, Lechenich, Bliesheim, Dirmerzheim und Gymnich. Jeder dieser Stadtteile behielt seine lokale Identität, doch die übergeordnete Verwaltungseinheit wurde zentral gesteuert. Die Entwicklung einer gemeinsamen Stadtidentität war anfangs eine Herausforderung, wurde jedoch durch gezielte Investitionen in Bildung, Kultur und Infrastruktur gefördert.
Erftstadt im 21. Jahrhundert – Fortschritt und Herausforderungen
Heute ist Erftstadt eine dynamische Stadt mit rund 50.000 Einwohnern. Sie liegt strategisch günstig zwischen Köln, Bonn und Aachen und ist durch die Autobahnen A1 und A61 sehr gut angebunden. Die Stadt hat sich zu einem beliebten Wohnort für Pendler entwickelt, bietet aber gleichzeitig auch zahlreiche eigene Arbeitsplätze, vor allem im Bereich Handwerk, Dienstleistung, Verwaltung und Bildung.
Kulturell ist Erftstadt durch zahlreiche Veranstaltungen, Vereine und historische Stätten geprägt. Das Schloss Gracht in Liblar, das historische Stadtbild von Lechenich sowie die rekultivierten Braunkohleflächen und Naturschutzgebiete tragen zur Lebensqualität bei. Gleichzeitig steht die Stadt vor aktuellen Herausforderungen wie dem Strukturwandel in der Energiewirtschaft, dem demografischen Wandel und der Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen.
Ein besonders einschneidendes Ereignis in der jüngeren Geschichte war die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021. Der Starkregen und die anschließenden Überschwemmungen richteten massive Schäden an, insbesondere im Ortsteil Blessem, wo ganze Straßenzüge durch eine Erdrutschkatastrophe zerstört wurden. Dieses Ereignis hat die Stadt nachhaltig geprägt und eine intensive Diskussion über Klimaanpassung, Katastrophenschutz und städtische Resilienz ausgelöst.
Trotz dieser Herausforderungen bleibt Erftstadt eine Stadt mit starkem Gemeinschaftsgefühl, historischer Tiefe und zukunftsorientierten Perspektiven. Ihre Geschichte ist geprägt von Wandel, Resilienz und der Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden – ein Merkmal, das sie zu einer besonderen Stadt im Rheinland macht.
5 spannende Geheimnisse
Die verschwundene Burg Konradsheim und ihre verborgenen Überreste
Erftstadt verbirgt in seinem Stadtteil Konradsheim ein besonders spannendes Geheimnis: die Spuren einer verschwundenen mittelalterlichen Burganlage, die lange Zeit in Vergessenheit geraten war. Während das bekannte Schloss Konradsheim heute gut erhalten ist und regelmäßig Besucher anzieht, ranken sich um die ursprüngliche, ältere Burg zahlreiche Legenden. Historische Quellen berichten von einem wehrhaften Bau, der im 13. Jahrhundert entstanden sein soll, vermutlich als Vorläufer des heutigen Schlosses. Archäologische Hinweise, darunter alte Mauerreste und Keramikscherben, die bei Bauarbeiten entdeckt wurden, deuten darauf hin, dass die Burg in unmittelbarer Nähe zum heutigen Schloss stand. Lokale Heimatforscher vermuten, dass ein Teil der alten Burgstrukturen unter dem heutigen Schlosspark verborgen liegt. Für Interessierte ist dies ein faszinierender Teil der Geschichte Erftstadts, der zeigt, wie Vergangenheit auch dort weiterlebt, wo sie nicht sofort sichtbar ist. Die Geschichte der verschwundenen Burg ist ein stilles Zeugnis für den Wandel von Machtzentren im Rheinland und macht Konradsheim zu einem geheimnisvollen Ort mit mittelalterlichem Flair.
Das verborgene Römerlager unter Lechenich
Ein weiteres gut gehütetes Geheimnis von Erftstadt liegt unter der Oberfläche von Lechenich: die Überreste eines römischen Militärlagers, das im 1. Jahrhundert nach Christus errichtet worden sein könnte. Lange Zeit war wenig über die frühe römische Präsenz in dieser Region bekannt, bis bei Bauarbeiten und landwirtschaftlichen Maßnahmen Hinweise auf römische Ziegel, Münzen und sogar ein fragmentiertes Straßenpflaster zutage traten. Die Funde lassen darauf schließen, dass hier nicht nur ein temporäres Lager, sondern möglicherweise auch eine kleinere Siedlung bestand, die für die römische Versorgung und Kontrolle des Umlandes diente. Historiker und Archäologen sind sich weitgehend einig, dass Lechenich in der Antike eine größere Rolle gespielt hat, als lange angenommen. Die Entdeckungen belegen, dass Erftstadt nicht nur eine moderne Kommune ist, sondern auch auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken kann, die bis in die römische Zeit reicht. Die archäologischen Befunde werden heute in Teilen im Stadtarchiv aufbewahrt und dokumentieren ein frühes Kapitel der Regionalgeschichte, das noch viele Fragen offenlässt.
Das unterirdische Wasserlabyrinth von Liblar
In Liblar, einem der bekanntesten Stadtteile von Erftstadt, existiert unter der Oberfläche ein komplexes System alter Wasserkanäle, das heute kaum jemand kennt. Diese unterirdischen Gänge stammen aus der Zeit, als in Liblar große Teile des Ortes durch die ansässige Ton- und Ziegelindustrie geprägt waren. Um die Wasserversorgung der Ziegeleien und auch die Ableitung von Grubenwasser zu sichern, wurden unterirdische Kanäle und Schächte gebaut. Viele dieser Gänge verlaufen heute unentdeckt unter Straßen und Grundstücken. Ein Teil des Netzes wurde während der Nachkriegszeit kartiert, doch ein vollständiger Überblick fehlt bis heute. Gelegentlich werden bei Bauarbeiten noch Abschnitte dieser Wasserwege entdeckt, was erneut das Interesse von Historikern und Technikern weckt. Die Existenz dieses verborgenen Wasserlabyrinths zeigt, wie stark die industrielle Entwicklung Liblars die Infrastruktur geprägt hat – und wie technisches Wissen und lokale Erfordernisse ein unsichtbares Erbe hinterlassen haben, das unter unseren Füßen weiterbesteht.
Die vergessene Wallfahrtskapelle von Borr
Im kleinen Erftstädter Ortsteil Borr befand sich bis ins 19. Jahrhundert hinein eine bekannte Wallfahrtskapelle, die heute fast vollständig aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist. Diese Kapelle war einst ein Ziel für Pilger aus der Region, die dort Heilung und spirituelle Erneuerung suchten. Es existieren noch einige handschriftliche Dokumente und Zeichnungen in alten Kirchenarchiven, die von der Bedeutung dieser Kapelle berichten. Die genaue Lage konnte durch ältere Flurkarten rekonstruiert werden, allerdings ist vor Ort nur noch wenig zu sehen. Ein kleines Wegkreuz erinnert heute an die religiöse Vergangenheit des Orts. Die Geschichte dieser Kapelle wirft ein Licht auf die frühere Bedeutung von Borr als spiritueller Treffpunkt und zeigt, dass Erftstadt auch in religiöser Hinsicht eine bewegte Geschichte besitzt. Die Tatsache, dass ein so zentraler Ort der Andacht nahezu vollständig verschwinden konnte, macht dieses Geheimnis besonders eindrucksvoll und regt zur Reflexion über den Wandel von Traditionen und Glaubenspraktiken an.
Die mysteriösen Glocken von Erp
Ein besonders kurioses Geheimnis rankt sich um die Glocken des Ortsteils Erp. Im Zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Kirchenglocken in ganz Deutschland beschlagnahmt, eingeschmolzen oder versteckt, um sie vor der Zerstörung zu bewahren. Auch in Erp wurde eine der historischen Glocken aus dem Kirchturm entfernt. Doch während andere Gemeinden ihre Glocken nach dem Krieg zurückerhielten oder Ersatz bekamen, blieb eine Glocke aus Erp verschwunden – bis heute. Verschiedene Theorien kursieren: Wurde sie beim Abtransport gestohlen? Liegt sie in einem Schmelzwerk, das nie zur Ausführung kam? Oder wurde sie bewusst versteckt und vergessen? In jüngerer Zeit sind Heimatvereine und Glockenforscher aktiv geworden, um dieses Rätsel zu lösen. Alte Transportlisten, Notizen von Pfarrern und Augenzeugenberichte werden gesichtet, um dem Verbleib der Glocke auf die Spur zu kommen. Die mysteriöse Geschichte zeigt, wie stark lokale Identität auch mit symbolischen Objekten verbunden ist – und wie ein kleines Detail wie eine Glocke die Neugier ganzer Generationen wecken kann.